Tempo 300 unnötig? Je nach Kontext vielleicht auch nicht (Allgemeines Forum)

sappiosa, Donnerstag, 31.07.2008, 17:42 (vor 5767 Tagen) @ 101-Fan

Hallo Markus,

ich bin heute morgen mit dem ICE 513 von Köln nach Mannheim gefahren. Wegen einer Störung am Triebfahrzeug konnte der ICE nur 200 fahren. Trotz dieser "geringen" Geschwindigkeit war der Zug in Fahrkfurt Flughafen nur +6.

Rechnen wir mal nach: Tempo 300 ist 132 km lang zugelassen (zwischen Siegauen-Tunnel bei km 28 und Mainbrücke bei km 160). Für die Entfernung braucht man theoretisch

- bei konstant 200 km/h: 39,6 Minuten
- bei konstant 300 km/h: 26,4 Minuten

Praktisch ist der Unterschied geringer - zum einen wegen der Beschleunigung auf 300, zum anderen aber auch, weil bei der Berg- und Talfahrt auf KRM der ICE die 300 auch mit Vollgas gar nicht durchhalten kann. Konstant 200 sollte er schaffen.
Rechnen wir in der Praxis also mit ca. 10 Minuten Unterschied. Blieben aus Deinem Beispiel also nur 4 Minuten Puffer übrig.

Irgendwo habe ich mal die folgende schöne Zusammenstellung gelesen:

Woran liegt es, wie lange ein Zug von A nach B braucht?
1. Strecke
2. Strecke
3. Strecke
4. Zwischenhalte
5. Höchstgeschwindigkeit

Klar, keine Frage, ich liebe es, wenn der ICE richtig aufdreht und die Autos auf der A3 "versenkt". Aber wenn man sich mal vor Augen führt, welche Kräfte bei diesen Geschwindigkeiten auf den Zug wirken, muss man sich fragen, ob diese Geschwindigkeiten wirklich notwendig sind. Zumindest auf KRM scheint es auch zu reichen, wenn der Zug 200 fährt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Kosten für die Bahn sicherlich sinken würden, da der Energieverbrauch gedrosselt würde und der Verschleiss ebenfals reduziert würde.

Keine Frage, Energieverbrauch und Verschleiß steigen bei hohem Tempo drastisch.

Aber Geschwindigkeit ist kein Selbstzweck. Otto Normalfahrgast geht es sonstwo vorbei, Autos auf der A3 zu versenken, ihn interessiert die Reisezeit. Und zwar nicht die von Köln Hbf nach Frankfurt Hbf, sondern die von Haustür zu Haustür. O.g. 10 Minuten sind ihm dann wirklich wichtig, wenn sie ihm helfen, einen früheren Anschluss zu erreichen - denn dann verkürzen sie seine Reisezeit gleich um z.B. eine Stunde.

Also sollte sich die Bahn fragen: Was für Fahrzeiten von A nach B will ich denn erreichen, um optimale Anschlüsse zu gewährleisten? Und dann erst folgt die Frage: Welche Geschwindigkeit brauche ich für diese Fahrzeit? Wenn ich 300 km/h brauche, dann fahre ich sie auch - wenn nicht, lasse ich es bleiben. So nutzt man dem Ziel "geringe Reisezeiten" am besten.
Die SBB hat das perfekt vorgemacht. Die Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist ist so geplant, dass man in 54 Minuten von Zürich oder Basel nach Bern kommt - eine ideale ITF-Zeit.

Solche Konzepte vermisse ich des öfteren bei der DB; sie erweckt den Eindruck, jedes Projekt so zu planen, als wäre es allein auf der Welt. Wenn dann noch Kirchturm-Politiker hineinreden, ist Hopfen und Malz verloren.

Übrigens: Auch wenn man eine Neubaustrecke für Tempo 300 auslegt, dann aber laut Fahrplan "nur" mit Tempo 250 befährt, war das Geld nicht hinausgeworfen. Das Teure ist die Neubaustrecke an sich, eine Trassierung für 250 ist je nach Gelände m.W. meist nur unwesentlich billiger als eine für 300. Und wenn man dann die 300 nutzen kann, Verspätung aufzuholen, oder (wie auf KRM) im Gefälle den Zug auf 300 ausrollen lässt - um so besser.

Schöne Grüße
Daniel (aka Sappiosa)


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